Nachfolgend soll die Parteistruktur, die Wählerschaft und die Koalitionsfähigkeit der euroskeptischen rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland” AfD untersucht werden
Parteistruktur
Die AfD deckt sich inhaltlich mit der CDU der 70er Jahre. Die CDU Alfred Dreggers war geprägt vom tiefen Antikommunismus, pragmatischen Wirtschaftsliberalismus und ein Bekenntnis zur sozialen Markwirtschaft. Das Böse wohnte im Osten (DDR), das Schöne und das Gute liebkoste sich im Westen (BRD). Eine politische Konstante blieb aber bestehen: die Nabelschnur zur Deutschen Mark.
Die Deutsche Mark ist das Symbol der Freiheit und der alten, stabilen, feinen Wohlstandsgesellschaft der nicht mehr existierenden Bundesrepublik Deutschland. Konrad Adenauer und Ludwig Erhard lassen grüßen. Diese politische Langzeitkonstante prägt bis heute das politische Bild des deutschen Durchschnittsbürgers.
Die AfD ist eine Hybridpartei. Sie ist sowohl Partei, aber auch eine politische Bewegung. Die Alternative für Deutschland sammelt gleichermaßen Nicht-, Protest-, Erst-, und Stammwähler auf. Die ideologischen Bandbreie umfasst Konservative, Euroskeptiker, Wirtschaftsliberale, aber auch National-Konservative. Historische betrachtet entstammt die AfD aus der Konkursmasse der untergegangenen DVP und DNVP.
Die AfD profitiert auch von der simplen Art wie Politik in Deutschland konsumiert wird. Die Mehrheit aller Wahlberechtigten konsumiert Politik wie folgt: morgens BILD oder eine andere regionale Tageszeitung lesen, abends die Tagesschau fernschauen, am Wochenende oder am Abend ein kleiner Plausch am Stammtisch oder im Schrebergarten. Nur eine Minderheit interessiert sich für politische komplexe Zusammenhänge.
Der Deutsche Michel lehnt die Globalisierung, sowie die reale Mehrebene (Kommune, Land, Bund, EU, NATO, Internationale Politik) der heutigen Realpolitik kommentarlos ab. Für den normalen Bundesbürger spielt sich Politik auf eine einfache lineare Ebene ab: man wählt entweder Angela Merkel oder man wählt Merkel ab.
Hinterfragt man genauer auf das politische Personal der AfD, stellt man fest, dass die AfD-Führungselite vornehmlich aus ehemaligen CDU und FDP Mitglieder besteht.
Bei dieser Strategie muss man feststellen, dass die Alternative für Deutschland sich als konservatives Korrektiv der Union definiert. Laut Konrad Adam verzichtet man bewusst auf die Aufstellung von Wahlkreiskandidaten. Auf dem Wahlzettel wird die AfD-Kandidatenspalte leer bleiben. Die Bundestagwahl findet gleichzeitig mit der Hessenwahl statt. Eine Woche vorher wird in Bayern gewählt.
Diese Wahlstrategie bevorzugt sowohl die Union, als auch die AfD zum sichtbaren Nachteil der FDP. Der AfD Wähler wird mit der Erststimme den Wahlkreiskandidaten der Union wählen, mit der Zweitstimme wird die AfD gewählt. Auf Leihstimmen könnte die FDP kaum noch hoffen. Die Liberalen müssen dann buchstäblich um jede kostbare Erst- und Zweitstimme kämpfen. Der Bundestagswahlauftritt der AfD wird im linken Lager auch das dortige Parteiengefüge durcheinanderbringen. Die Grünen werden um jede linke Erst- und Zweistimme fighten. Diese Strategie geht zum Nachteil der SPD. Die AfD stellt für die Partei „Die Linke” das ideale politische Feindbild dar. Die AfD wird das linksextreme Wählerreservoir zugunsten der Linkspartei mobilisieren.
Die AfD und die Linke werden dann gemeinsam um die Stimme der Unentschlossenen und Unzufriedenen buhlen.
Auch bei den übrigen außerparlamentarischen Parteien macht sich die Gründung der AfD bemerkbar. Die „Partei der Vernunft” steht ohne einen regulären Parteivorsitzenden da. Landesverbände der Freien Wähler laufen zur AfD über. Mit dem Aufkommen der AfD stellt sich auch politische Existenz der übrigen konservativen Kleinparteien wie „Zentrum”, „Freiheit”, „Pro-Bewegung“, „Die Konservativen”, „DSU“ oder „Bayernpartei” in Frage. Die Wählerschaft der sonstigen konservativen Kleinparteien würde ebenfalls am 24. September ihr Kreuz bei der AfD machen.
Als Nebeneffekt der Gründung der AfD wird auch eine erhöhte Wahlbeteiligung festzustellen sein. Ende August wird man mittels Brief- und Direktwahl wählen können. Bei den letzten Bundestagswahlen nutzten 25% der Wähler diese Option. Eine starke Mobilisierung der Frühwähler wäre ein Indikator, dass die AfD auch aus dem Wahlerresservoir der Nicht- und Frühwähler ebenfalls verstärkt Stimmen anzieht.
Nach der Gründungsphase werden lokale oder regionale AfD-Bürgerforen oder AfD-Bürgerversammlungen stattfinden. Diese Veranstaltungen werden nur von einem Thema dominiert werden: „Schluss mit diesem Euro”. Bis dahin wird die Dauerberichterstattung über die AfD den Pegel einer Massenhysterie erreichen. Diese Medienaufmerksamkeit legitimiert die AfD inhaltlich und politisch. Auch der Staatsfunk wird ausführlich über die AfD berichten. Alexander Gauland und Alice Weidel sind gerngesehene Gäste im ARD und ZDF – Talkshows. Auf der medialen Ebene wird die AfD ebenfalls politisch und inhaltlich legitimiert werden. Die AfD hat sich bereits von der Gründungsagend (Euro-Rettung) weit entfernt. Gegenwärtig wird der politische Diskurs der AfD von Fragen der Zuwanderung und der inneren Sicherheit geprägt.
Wählerschaft
Die Wählerschaft der AfD rekrutiert sich aus vier Segmenten: 1). Nichtwähler, 2). Protestwähler, 3). bürgerliche Stammwähler der Union und der FDP und 4). strategische Wechselwähler. Die AfD wird aus allen Parteien und aus allen sozialen Schichten Wähler hinzugewinnen.
Die Nichtwähler erreichen die etablierten Parteien kaum. Diesmal wird der Nichtwähler wohl bewusst zur Wahl gehen und nach dem obigen Model wählen. Am Tag der Bundestagswahl wird der Nichtwähler einen längeren Ausflug zum Wahllokal in Kauf nehmen.
Der Protestwähler gleicht einem Kannibalen, der genüsslich sein Opfer speisen wird. Auch in diesem Fall wird die Wahlkommunikation der etablierten Parteien kaum eine Wirkung entfalten. Der Protestwähler wählt seit Jahrzehnte bewusst und vorsätzlich gegen das politische Establishment.
Die bürgerliche Union und FDP-Stammwähler werden aus Enttäuschung über die Euro-Rettungspolitik diesmal die AfD wählen. Inhaltliche Argumente spielen kaum eine Rolle. Die Bundestagswahl 2013 gleicht aus Sicht der bürgerlichen Wählerschaft eher einer Abrechnung.
Die strategischen Wechselwähler stellen die eigentliche Unbekannte jeder Wahlforschung dar. Der strategische Wechselwähler ist der Wahlwolf im Bundestagswahlpelz. Der Wechselwähler täuscht und camoufliert seine wahre Wahlabsicht. Der Wechselwähler gleicht einem Börsenhändler, der auf Börsenparkett laut „kaufen” ruft, aber gleichzeitig auf seinem Laptop die „verkaufen”-Order ausführt. Die Zahl der Wechselwähler wird diesmal massiv sein.
Koalitionsfähigkeit
Die Koalitionsoption der AfD betrifft ausschließlich eine Regierungsbeteiligung auf Seite der CDU. Die CDU wird versuche jede mögliche Konstellation einzugehen, um eine Koalition mit der AfD abzuwehren. Bei einem zweistelligen Wahlergebnis von 42% im Bund, sowie ähnliche gute Resultate bei den Landtagswahlen wird die CDU mit der AfD eine Koalition eingehen wagen müssen. Die CDU Hamburg ist 2001 eine Koalition mit der Schill-Partei eingegangen. Am Ende der Legislaturperiode war die Schill-Partei politisch erledigt und CDU Hamburg politisch und inhaltlich gestärkt. Das Hamburger Experiment könnte als Blaupause für die Legislaturperiode 2013-17 dienen.
Die größte Unwägbarkeit wäre die Bildung einer Großen Koalition des kleinsten Kompromisses zwischen der Union und der SPD und ein Erstarken der AfD in der parlamentarischen Opposition.
Europawahl 2019
Die Frage stellt wie die AfD bei der Europawahlen 2019 abschneidet. Die AfD könnte den Spitzenkandidaten einer eurokritischen paneuropäischen Liste stellen und dann auf europäischen Ebene eine gewichtige Rolle spielen. Aber welche europäische Parteienfamilie sollte die AfD-Europafraktion angehören. Kurz nach der Gründung war die AfD unter Bernd Lücke Mitglied der Europäischen Konservativen und Reformer. Nach der Absetzung der Parteichefs Lücke trat die AfD der Fraktion der Freiheit und der Direkten Demokratie bei. Die AfD könnte nach der Europawahl eine gewichtige Rolle beim Zustandekommen einer europakritischen Fraktion spielen.
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